Unsere Zeit in den USA neigt sich dem Ende zu, viel früher als gedacht. Ich gehe gerne zurück nach Hause. Aber ich werde auch einiges vermissen, und da ich – gerade in letzter Zeit – doch eher kritisch über die USA schreibe, sollen auch die schönen Dinge, Erlebnisse und Gewohnheiten hier Raum finden. Deshalb hier ein Artikel über all das, was mir fehlen wird.

Ganz klar und mit Abstand ganz vorne: Sonne, Strand und Meer. (Fast) Ganzjährig sommerliche Temperaturen zu haben ist einfach wunderbar. Der ungewöhnlich kalte Winter dieses Jahr schickte uns erstmal zum Einkaufen, denn für Joshua gab es einfach keine warmen, eigentlich nicht mal lange, Klamotten. Aus allem, was lange Ärmel und Hosenbeine hat, war er herausgewachsen und es war nicht nötig, für Nachschub zu sorgen. Bis wir dann doch mehr als nur zwei Tage Temperaturen unter 10 Grad Celsius hatten. Also, ich genieße die Wärme und das Licht, das mir jeden Tag erhellt. In Deutschland geht so langsam der dunkelste Winter seit Aufzeichnungen zu Ende, was bin ich froh, da nicht dabei gewesen zu sein. Und der Strand vor der Haustür ist auch ein Geschenk. Zugegeben, wir fahren auch 20 Minuten mit dem Auto, aber dann haben wir feinen, weißen Sand unter den Füßen, Delphine ziehen vorbei, Palmen und Mangroven runden das Bild ab. Wir nehmen Platz auf einer der vielen Holzbänke oder Hollywoodschaukeln und genießen die Aussicht. Die Wassertemperaturen (18 Grad im Winter und 30 Grad im Sommer) laden ganzjährig zum Baden ein. Ach Mann, das werde ich vermissen. Unser Honeymoon Island würden wir uns gerne in einer Klimablase mitnehmen und in der Nachbarschaft einpflanzen. Aber da kriegen wir sicher mit dem Zoll Probleme…

Wo wir schon bei Palmen sind, die werden mir auch fehlen. Palm Trees in allen möglichen Variationen – ich wusste gar nicht, was es alles für Palmen gibt – selbstverständlich in Gärten, an Straßen und in Parks vorzufinden, sieht einfach schöner aus als unsere klassischen Laub- und Nadelbäume.

Was mir sehr gut gefällt, sind auch die niedrigen Häuser. Ab und zu gibt es mal zweistöckige Häuser, aber höher wird normalerweise nicht gebaut und gerade hier in Florida tragen die Häuser oft auch hübsche Farben. Fast jeder hat seinen Garten, die Häuser haben großzügige Einfahrten, in denen Kinder spielen können. Die Wohngebiete sind sehr gepflegt und oft schön angelegt, auch mitten in der Stadt sieht es aus wie bei den Desperate Housewives in der Vorstadt, nur Downtown findet man Hochhäuser, die allerdings überwiegend geschäftlich genutzt werden. Mir gefällt das einfach besser als Mehrfamilienhäuser und der Ausblick auf die Außenwand des Nachbarhauses. Fairerweise muss ich hinzufügen, dass hier eben auch einfach mehr Platz vorhanden ist, um entsprechend zu bauen.

Was ich vermissen werde, ist auch die Kinderfreundlichkeit und die allgemeine Höflichkeit der Amerikaner. Besonders nach unserem Heimaturlaub im Juni fiel mir auf, dass die Unterschiede in diesem Bereich kaum größer sein könnten. Kinder sind hier einfach willkommener. Es gibt viele (z.T. sehr) große Familien. Das findet aber niemand seltsam, während in Deutschland ja Familien mit drei Kindern schon wie Außerirdische betrachtet werden und wer mehr als drei Kinder hat, der ist entweder radikal religiös oder hat in der Sexualerziehung beim Thema Verhütung geschlafen. Hier freuen sich die Menschen einfach an den Kindern und sagen dies auch laut. Wir haben von völlig Fremden Komplimente für unsere Kindern bekommen, in schwierigen Situationen sprachen viele Menschen mich oder die Kinder direkt an mit einer Aufmunterung oder einem Witz, was uns schnell aus der misslichen Lage half, anstatt uns böse/genervte Blicke zuzuwerfen oder schweigend wegzuschauen. Müttern mit Kindern wird der Einkaufswagen zum Auto gebracht, die Tasche getragen, die Tür aufgehalten und noch viel mehr, und zwar gerne, weil ihnen Achtung entgegen gebracht wird für das, was sie leisten. Gerade ältere Menschen haben eigentlich immer ein paar freundliche Worte und lassen Familien gerne den Vortritt, schäkern noch mit den Kindern und freuen sich an den kleinen Wirbelwinden. Als wir dagegen in Deutschland mit dem Zug fuhren und ich mit Kinderwagen, Gepäck und Joshua an der Hand am Fahrstuhl stand, drängelte sich die Generation Rollator mit grummeligen Gesichtern noch vor. Generell wird hier mehr gelächelt. Sicher, oft aufgesetzt und antrainiert, aber es wirkt trotzdem netter als ein griesgrämiges Gesicht. An der Kasse nehmen sich die Angestellten mehr Zeit, haben oft Lust auf einen kleinen Plausch, sind hocherfreut, dass man in ihrem Geschäft einkaufen war und laden freundlich ein, gerne wiederzukommen.

Und eine Sache können die Amerikaner wirklich gut: Andere loben, laut aussprechen, was ihnen gut gefällt. Ich hoffe, es gelingt mir, dies mitzunehmen nach Deutschland und im Freundes- und Bekanntenkreis zu kultivieren. Es war anfangs ein bisschen schräg, weil ungewohnt, wenn ich auf dem Parkplatz des Baumarktes beim Anschnallen der Kinder so angesprochen wurde: Nicht erschrecken, ich wollte nur mal eben sagen, wie klasse ich Ihre grünen Schuhe finde. Äh, ja, danke. Wenn Kleider, Schuhe oder die Frisur gefällt, dann wird das ausgesprochen, nicht nur gedacht. I love your hair, it makes me wanna cut mine. O, I love these shoes, where did you get them? They are comfy, right? Wow, beautiful dress. You smell so nice. Wenn man sich als Deutsche erstmal daran gewöhnt hat, geht das runter wie Öl. Wer hört nicht gerne, dass das äußere Erscheinungsbild auch anderen gefällt. Aber auch für meinen “Job” als Mama wurde ich oft gelobt, die Jungs sind so toll, das habe ich richtig gut gemacht. Oder aber die Dame an der Kasse freut sich wie eine Schneekönigin, dass ich nur Artikel kaufe, auf die es Prozente gibt (You are a smart lady, you saved a lot of money). Ach ja, das tut gut, kein Wunder, dass hier mehr gelächelt wird, solche Komplimente zaubern auch mir regelmäßig ein Lächeln aufs Gesicht.

Das Du werde ich auch vermissen. Hier wird natürlich auch gesiezt, aber es klingt schöner, denn es ist eben ein formelleres Du. Mister Richard und Mrs Mareile ist z.B. eine höfliche, respektvolle Ansprache, man stellt sich eigentlich immer mit dem Vornamen vor und da Du und Sie eben beides You ist, fällt ein schneller Übergang zum persönlichen Du leichter, irgendwie hat man sich ja auch schon vorher so angesprochen. Auch bei Essensbestellungen wird der Vorname notiert und aufgerufen, wenn das Essen fertig ist, freundlicherweise haben wir meistens darauf verzichtet, meinen Vornamen zu wählen, mit Richard kommen Amerikaner seltsamerweise besser zurecht…

Etwas ganz praktisches aus dem Alltag, das mir fehlen wird, ist unser Auto. Wir fahren einen Van, einen Honda Odyssey, doch dieses Modell wird nur in den USA produziert und steht für den europäischen Markt nicht (oder wegen des Imports nur sehr teuer) zur Verfügung.

Mir werden auch Menschen fehlen. Und zwar Mark und Diane, die uns unbekannterweise so herzlich aufgenommen haben, als gehörten wir zur Familie. Für die Kinder sind sie so etwas wie ein Großelternersatz geworden, sie fragen oft nach ihnen und äußern den Wunsch, sie zu besuchen. Und Familie Hill. Mit Erin (Mama Hill) fühle ich mich wirklich freundschaftlich verbunden. Als wir z.B. während unserer Hurrikanferien dort waren, tat es so gut, mich mit ihr auszutauschen, und obwohl wir uns fünf Monate nicht gesehen hatten (was zwei Monate länger war als wir uns in Austin überhaupt kannten, bevor wir weggingen) konnten wir direkt wieder anknüpfen, wo wir aufgehört hatten, fanden Gesprächsthemen und hatten solchen Spaß miteinander, dass ich schon fast darüber nachdachte, ob es Sinn machte, wieder nach Austin zurückzuziehen.

Mich selber immer neuen Herausforderungen zu stellen ist zwar anstrengend, dennoch möchte ich es nicht mehr missen. Neue Orte zu erkunden, regelmäßig etwas zu unternehmen, offen sein für Anderes, auf fremde Menschen zuzugehen, neue Freundschaften zu schließen sind Dinge, die ich auch in Deutschland nicht aufgeben möchte. Ich hoffe, es gelingt uns dort, neugierig zu bleiben. Unbekanntes gibt es auch zuhause genug, und ich wünsche mir, dass es uns gelingt, diese Gewohnheiten über den großen Teich zu retten und im Alltag aufrecht zu erhalten.

Eine ganz persönliche Herausforderung war für mich, den Alltag in der fremden Sprache zu meistern. Anfangs versuchte ich, in Gesprächen Richard das Reden zu überlassen und selber mehr zuzuhören und erstmal zu schauen, wie viel ich verstehe. Obwohl ich Englisch studiert und unterrichtet habe, fühlte ich mich den Muttersprachlern nicht gewachsen. Da ich aber mit den Jungs oft alleine unterwegs war, musste sich daran rasch etwas ändern. Und es klappte auch sehr gut. Natürlich fehlten hier und da Vokabeln, tun es z.T. heute noch, aber ich verlor schnell die Nervosität und merkte bald, dass mein Englisch sogar recht gut ist (z.B. im Vergleich mit anderen Deutschen, die z.T. schon viele Jahre in den Staaten leben). Auch hier half definitiv, dass die Amis nicht mit Lob sparen und mir bestätigten, wie gut mein Englisch sei. Mittlerweile lache ich über meine anfängliche Angst und auch Telefonate werden selbstverständlich von mir selber erledigt. So, genug Eigenlob, was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich an diesen Situationen gewachsen bin. Sie haben mir Mut und Selbstvertrauen gegeben und mich selber dabei zu beobachten und zu sehen, was ich schaffen kann, macht mich froh und ist etwas, dass ich vermissen würde, weshalb ich hoffe, dass sich immer wieder neue Gelegenheiten ergeben werden, über meinen Schatten zu springen, an Grenzen zu gehen und auch darüber hinaus.

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