…keeps the doctor away. Hat leider nicht funktioniert, trotz fleißigem Apfelkonsum kam unsere Familie auch in den USA nicht um Arzttermine herum. Da ich eine Schilddrüsenunterfunktion habe, war (trotz eines beachtlichen Vorrats an Tabletten) ein Termin zur Medikamentenbeschaffung unausweichlich, aber auch zahn- und frauenärztliche Kontrolltermine wollten wir natürlich wahrnehmen. Hier in Florida entschlossen wir uns, auch Termine für Vorsorgeuntersuchungen der Kinder zu vereinbaren.
Zuvor haben wir lange überlegt, wie wir uns “vernünftig” versichern, um im Notfall nicht auf horrenden Kosten sitzen zu bleiben und uns für eine deutsche Auslands-Reise-Versicherung entschlossen, extra für Langzeitreisende. Bis zu 5 Jahre wären wir damit nach deutschem Standard versichert. Doch bereits die erste Arztrechnung kam für unsere Versicherung “ungelegen” und konnte erst nach knapp zwei Monaten beglichen werden. Da wir als privat Versicherte in Vorleistung gehen müssen, Arztrechnungen hier recht hoch sind und wir nur ein Einkommen hatten, wechselten wir also rasch die Versicherung und waren nun doch amerikanisch versichert. Diesen Schritt bereue ich, denn dieses System ist schon recht merkwürdig. Obwohl man regelmäßig seinen Beitrag zahlt, werden z.B. von Behandlungen dennoch nur Teile übernommen und man zückt beim Arzt regelmäßig die Kreditkarte, um seinen Eigenanteil zu bezahlen. Und ich spreche nicht von Sonderleistungen, sondern von Standard. Bei sämtlichen Terminen muss eine Rechnung beglichen werden, so dass man sich wirklich fragt, wozu man eigentlich versichert ist. In Krankenhäusern ist es sogar von Vorteil, nicht versichert zu sein, dann ist die Behandlung nämlich günstiger. Ja, das habt ihr jetzt richtig gelesen.
Naja, und es gibt ja auch etliche Amerikaner, die überhaupt nicht krankenversichert sind. Wenn sie einen Arzt brauchen, muss eben die gesamte Rechnung übernommen werden, weshalb es mittlerweile z.B. einen richtigen Dental-Tourismus gibt. Agenturen vermitteln Termine mitsamt Flug und Hotelaufenthalt in Mexiko, Costa Rica oder anderen Staaten in der Nähe, in denen eine gute Behandlung wesentlich günstiger ist als in den USA. Und die Ärzte sind selbstverständlich exzellent ausgebildet. Als mir eine Zahnärztin hier einen Behandlungsplan mit Kosten von $5000 und mehr vorlegte, begann auch ich Planungen für einen Urlaub in Mexiko, allerdings brachte das Einholen einer zweiten Meinung schon Erleichterung, hier wurde realistischer geplant und gerechnet, dennoch sind auch hier die Kosten noch hoch, verglichen mit Deutschland. Und bei einer Zahnbehandlung hatte ich bis zuletzt Sorge, dass doch noch eine Wurzelbehandlung anstehen würde (das Röntgenbild war hier im Vorfeld nicht eindeutig), was die Rechnung um einiges erhöht hätte. Aber ist das nicht furchtbar? Gerade beim Zahnarzt empfinde ich es auch als besonders zynisch, wenn ich im Anschluss an die Tortur einer Zahnbehandlung für diese am Empfang noch bezahle.
Auch die Wahl eines Arztes ist nicht so einfach. Nur bestimmte Ärzte, die im Netzwerk der jeweiligen Versicherung sind (oder umgekehrt), dürfen aufgesucht werden. Bei vielen Ärzten bekäme ich mit unserer Versicherung gar keinen Termin. Die erste Frage am Telefon ist immer die nach der Versicherung.
Nun aber direkt zu den Arztterminen. Was ist ähnlich, was völlig anders als in Deutschland? Das erste, was sich sehr unterscheidet, ist der Papierkrieg. Ja, klar, bei der Patientenaufnahme werden Daten abgefragt und auch die Krankheitsgeschichte erörtert, hier kommen aber bei jedem Arzt etliche Unterschriften dazu, die geleistet werden müssen, ähnlich, wie vor einer Operation im Krankenhaus in Deutschland, wenn man bestätigen muss, dass man über Risiken aufgeklärt ist und im Fall der Fälle nicht gegen die Klinik klagt. Eine echte Wahl hat man bei diesen Unterschriften ja nicht, wenn man operiert werden möchte. Im Land der lächelnden Anwälte, die an jeder Kreuzung auf riesigen Werbetafeln ankündigen, dass sie uns gerne zu unserem Recht verhelfen, sichern sich Ärzte natürlich gegen alles ab. Als ich bei einem Familienmediziner (!) diese Papiere für mich und beide Jungs ausfüllen musste, bin ich fast wahnsinnig geworden, vor allem, weil ich sämtliche Informationen bereits online abgegeben hatte und auch alle Daten, die bei uns Dreien gleich sind wie Adresse, Versicherungsnehmer (natürlich mit Geburtsdatum, nochmaliger Adresse (aaaaaahhhhhh!), Sozialversicherungsnr. etc. dreimal angeben sollte. Da hab ich mich geweigert, diese Daten mussten die Arzthelferinnen dann doch selbstständig übertragen. Und bis zuletzt quälte ich mich durch Fachwörter, die mir schon im Deutschen manchmal Schwierigkeiten bereiten und auch beim letzten Arztbesuch noch nicht in mein Vokabular eingegangen waren.
Bei der Behandlung selbst sind vor allem beim Zahnarzt Unterschiede zu finden. Z.B. bekommen sämtliche Patienten zum Schutz der Augen eine Sonnenbrille auf. Beim Kinderzahnarzt fanden die Kontrollen in einem Raum mit vier Stühlen nebeneinander statt, eine Behandlung (an einem weiteren Termin) dann alleine in einem Raum. Geschwisterkinder hatten hier keinen Zutritt, aber ein Elternteil durfte mit. Ein Fernseher an der Decke spielte zur Ablenkung die zuvor abgefragte Lieblingsserie und betäubt wurde mit Lachgas. Ich selber saß beim Zahnarzt auf einem Stuhl mit Massagefunktion, so konnte ich mich während der Wartezeiten zwischendurch entspannen. Auch die Aussicht ins Grüne fand ich sehr angenehm. Dafür gab es hier keine Möglichkeit zum Ausspülen, und das Zahnarztbesteck lag auf meinem Oberkörper anstatt auf einem Tray. Türen gab es auch keine, alle Behandlungsnischen waren so jederzeit vom Flur einsehbar. Für einen guten Überblick des Gebisses werden gerne mal 12 – 18 Röntgenbilder gemacht, digital, da soll die Strahlung sehr gering sein.
Beim Allgemeinmediziner hatte ich nur einmal Kommunikationsprobleme, die zur Folge hatten, dass die Bereitstellung eines Rezepts sich verzögerte. Obwohl ich meine Medikamente beim Arzttermin dabei hatte und schriftlich angab, als auch im Gespräch bestätigte, dass ich diese Medikamente bereits seit Jahren nehme, wurde dies bei der Auswertung der Laborwerte nicht berücksichtigt. Ich bräuchte kein Medikament, da meine Schilddrüsenwerte in Ordnung seien, wurde mir mitgeteilt, nachdem ich bereits häufiger nachgefragt hatte. Selbst als ich wieder einmal erklärte, dass der Grund dafür die Einnahme des Medikaments sei, dauerte es weitere 24 Stunden, bis ein Rezept erstellt wurde. Zu spät für uns, denn diese Episode spielte sich in den letzten Wochen unseres Aufenthalts in Austin ab und wir waren nun bereits auf dem Weg nach Florida. (Ja, ich hätte vielleicht früher zum Arzt gehen sollen, aber hätte hätte, Fahrradkette nützte mir nun auch nichts.)
Hier kam uns nun aber ein sehr angenehmer Aspekt des Systems zugute. Rezepte bekommt man nämlich nicht vom Arzt in die Hand gedrückt, sie werden online direkt an die gewünschte Apotheke übermittelt. Dort muss man sich nur im System anmelden (ihr ahnt es schon, Papierkrieg), aber dann kann man sich die Medikamente einfach abholen, gerne auch im Drive-Thru. Refills werden automatisch erstellt und man wird per Anruf oder auch SMS informiert, dass ein Medikament zur Abholung bereit liegt. Und dies funktioniert auch, wenn der Arzt in Austin, Texas sitzt, die gewünschte Apotheke aber in Florida ist. Mein Medikament habe ich mir nach Pensacola schicken lassen und es quasi im Vorbeifahren mitgenommen, den Refill gab es dann in St. Petersburg. Dafür fragte ich nochmal bei meinem Arzt in Austin an, dort wurde mir mitgeteilt, dass ich direkt die Apotheke meiner Wahl informieren könne und diese dann das Rezept vom Arzt anfordere. Wie genial ist das denn!
Die Vorsorgeuntersuchungen der Kinder fand ich dagegen alles andere als genial. Wobei wir hier wohl richtig Pech mit der Arztpraxis hatten. So hat Joshua ein Bild von seinem kleinen Bruder malen sollen. Er ist nicht so der Maler, macht halt andere Sachen gerne, ne? Also musste für Details wie Augen, Finger und Haare extra nachgefragt werden. Daraufhin meinte die Ärztin, Joshua wäre von der Intelligenz her einem Vierjährigen gleichzusetzen. Wie bitte? Und zu dieser Erkenntnis kommt sie allein durch die Betrachtung eines Bildes, das er gemalt hat??? An diesem Punkt war ich sehr froh, dass eine Ärztin im Praktikum anwesend war, denn ich weiß nicht, ob ich diese Information sonst mitbekommen hätte. Ein Sehtest hätte stattfinden sollen, aber der hat nicht funktioniert, weil Joshua die Buchstaben des Alphabets auf Englisch nicht beherrscht. Er hat versucht, sie nachzumalen, ich sollte übersetzen, aber zufriedenstellend war das nicht. Sehr Analphabetenfreundlich aber auch nicht. Also bekam ich eine Hausaufgabe (sie hat mir ernsthaft homework aufgetragen), Joshua das Alphabet beizubringen, damit in zwei (zu schnell, na gut, vier?) Wochen der Sehtest wiederholt werden könne. Ich erklärte ihr, dass das nicht meinem Verständnis von Lernen entspricht, aber das kam wohl nicht bei ihr an. Sie sprach auch viel mit mir und erwartete, dass ich den Kindern übersetzte, wohl, weil gerade Joshua sie wirklich schlecht verstand. Dies lag allerdings an ihrem starken Akzent und nicht daran, dass er kein Englisch verstehen würde. Benji kam erstaunlicherweise etwas besser damit zurecht, hier macht sich wohl der Unterschied bemerkbar, dass er von Geburt an zweisprachig aufwächst, während Joshua eigentlich erst hier in den USA wirklich zweisprachig wurde. Bei Benji bemängelte sie, dass er noch Windeln trägt und gab mir als zweite Hausaufgabe potty training auf. Auch hier stieß ich mit Einwänden auf taube Ohren, ich bin nämlich der Ansicht, dass Kinder trocken werden, wenn sie bereit dazu sind, und kein Training in diesem Sinne nötig haben. Zumal Benji ja hier auch nicht in eine Einrichtung wie day care oder pre school gehen würde. In diesem Fall wäre ein Training wohl leider notwendig, weil ihm sonst die Aufnahme verweigert würde. Und dann kam das leidige Thema Impfen. Ich bin keine Impfgegnerin, meine Kinder sind, entsprechend den Empfehlungen der STIKO, nach deutschem Impfplan geimpft. Zur Einreise in die USA war bei Benji eine Hepatitis A Impfung notwendig, die zweite Dosis ersparten wir ihm allerdings. Diese wollte mir die Ärztin nun unbedingt aufschwatzen. Außerdem sprach sie immer wieder davon, dass sie beim nächsten Termin dann alle nötigen Impfungen vornehmen werde, aber sie wolle ja nicht beim ersten Termin gleich pieksen und so das Verhältnis Arzt-Patient belasten. Ich wiederholte immer wieder, dass keine Impfung stattfinden würde außer der Auffrischimpfung für Joshua gegen Tetanus, Pertussis und Diphterie. Nun ja, irgendwann war dieser Termin also endlich geschafft und mir war klar, dass wir uns weitere Termine sparen würden. Geimpft werden konnte Joshua auch woanders.
Aber es kam anders. Vier Wochen später bekam ich tatsächlich einen Anruf. Doch, anders als erwartet, ging es nicht um den Sehtest von Joshua, sondern einen Vorsorgetermin für Benji, für den nach amerikanischem Check Up Plan (der übrigens jährliche Untersuchungen bis 21 vorsieht) anstand. Völlig verdutzt machte ich einen Termin ab, um dann später noch einmal anzurufen und den Termin wieder abzusagen, denn wir waren ja gerade erst zur Vorsorge dort gewesen. Daraufhin wurde mir mitgeteilt, dass dieser Termin Pflicht sei, sonst würde der Versicherungsanspruch erlöschen und so stimmte ich zähneknirschend einem Termin zu, und ergänzte noch die Impfung für Joshua, die könne ja dann gleich mit erledigt werden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dies Quatsch ist, der einzige Grund, warum diese Termine hier von den meisten Familien eingehalten werden, ist, dass die Kinder hier sonst weder in Pre School oder Schule aufgenommen würden, wobei es da meist auch nur um den Impfplan geht. Geärgert hat mich auch, dass die Arzthelferin bei der Vereinbarung des ersten Termins nicht darauf hinwies, dass das Verschieben um nur eine Woche gereicht hätte, um als anstehender Check Up Termin geltend gemacht zu werden. Damit hätten wir uns den zweiten Termin komplett gespart, aber sie hätten eben auch weniger Geld verdient.
Dieser Termin bestätigte meinen schlechten Eindruck auf ganzer Linie. Nicht nur Benji, auch Joshua wurde nochmal einem kompletten Check Up unterzogen, was ja weder nötig, noch vereinbart war. Diesmal wusste er es beim Malen besser und die Ärztin bestätigte mir, dass er sehr intelligent sei, seinem Alter sogar etwas voraus. (Ach, guck an.) Sie erklärte die Details dieses “Intelligenztests” sehr genau, denn wieder war eine Ärztin im Praktikum anwesend. Als sie einen Sehtest machen wollte, fiel ihr wieder ein, dass er die Buchstaben nicht kennt und fragte mich entsetzt, wieso ich das immer noch nicht erledigt hätte. Und wieder kam die Diskussion um das Impfen. Zuerst meinte sie, Joshua habe eine Impfung bekommen, die erst ab 7 Jahren gegeben werden dürfe und nun müsse noch dringend eine Impfung nachgeholt werden, bis ich ihr zeigte, dass sie Blödsinn redete, denn im Impfbuch war nirgends dieser Impfstoff eingetragen. Und dann wollte sie ihm einen Vierfachimpfstoff geben und ich musste schon sehr deutlich werden, bis sie von dieser Idee abließ und wirklich nur das impfte,. was ich wollte. Auch bei Benji fragte sie mehrfach nach, ob denn die Sechsfachimpfung nicht doch nachgeholt werden solle und auch Hepatitis A zu vollenden wäre doch sinnvoll. Jetzt wurde ich echt sauer, denn ich begriff, dass sie mir als Medizinerin ernsthaft eine Impfung aufschwatzen wollte, die absolut unnötig war, nur damit im System keine Fehlermeldung mehr auftauchen würde. Denn der Zeitplan dieser Impfungen unterscheidet sich zwischen Deutschland und den USA um einen Monat. Mein Sohn hat diese Impfung also bekommen, nur zum für ihr System falschen Zeitpunkt und deshalb riet sie mir dazu, diese nachzuholen. Mir fehlten echt die Worte. Ich meine, sie ist Ärztin… Zum Schluss sagte sie noch, meine Jungs müssten auch noch zum Blutabnehmen. Das kam für mich aber gar nicht in Frage, Benji würde ja nie wieder eine Arztpraxis betreten vor Angst. Im Gespräch mit diversen Müttern wurde mir später bestätigt, was das für Humbug sei, keinesfalls Standard. Für mich stand auf jeden Fall felsenfest, dass wir diese Arztpraxis zum letzten mal von innen gesehen hatten.
Bei der Gynäkologin war es dagegen wirklich nett. Nur das Nacktsein ist hier ja doch ein Problem, weshalb ich ein Ungetüm von Kittel bekam, welches auch während der Untersuchung brav alles bedeckte. Naja, damit kann ich leben.
Zusammengefasst kann ich es nicht wirklich empfehlen, sich hier zu versichern. Freunde von uns verzichten darauf, werden aber, sobald größere medizinische Eingriffe oder Therapien nötig sind, nach Europa zurück gehen. Und Augen auf bei der Arztwahl, oder besser: Ohren auf, Meinungen einholen, bevor man Termine vereinbart, notfalls auf Facebook. Vielleicht wären wir vor unserer Kinderärztin gewarnt worden.