Ach 2020. Das Jahr, in dem für alle alles irgendwie anders kam, als es geplant war. In dem uns ein Virus überrollt hat wie die Flutwelle das Haus im Titelbild. In diesem Jahr des “Eigentlich…” haben wir viereinhalb Monate in Deutschland verbracht, obwohl wir doch eigentlich auf Reisen sein wollten. Mitte April, am Osterwochenende, kamen wir nach dreitägigem Durchfahren direkt aus Portugal in die deutsche Einsamkeit. Denn coronabedingt waren Kontakte eher nicht vorgesehen und es dauerte auch recht lange und blieb eher selten, dass wir Familie oder Freunde besuchten. Die Jungs freuten sich anfangs noch sehr über all ihr Spielzeug, aber lange hielt das nicht vor. Jedes Treffen wurde herbeigesehnt und dann bis zur letzten Minute ausgereizt. Hier in Portugal habe ich von einem Freund gelernt, dass der Mensch nach ca. drei Monaten Einsamkeit, also ganz ohne Gesellschaft, verwelkt wie eine Blume oder aber mindestens sehr seltsam wird. Da wir in Hohnstorf mit meinen Eltern immerhin zu sechst waren und ab und zu andere Menschen trafen, waren wir nicht ernsthaft gefährdet, dem Wahnsinn aber doch einige Male recht nah. Wenn wir auch wenig Kontakte hatten, haben wir die Reisepause aber für Änderungen am Homie genutzt, haben unser Chemie Klo gegen eine Trocken Trenn Toilette ausgetauscht, den Wohnwagen neu gestrichen und mein Bett aus der ersten Reisephase wieder in eine Sitzecke verwandelt. Jetzt ist dort ein zusätzlicher Spiel-, Mal- oder Arbeitsbereich entstanden.

Unsere Abreise Ende August, übrigens auf den Tag genau ein Jahr später als unser Reisestart letztes Jahr, kam dann, obwohl lang erwartet und später als geplant, doch irgendwie überstürzt. Auf jeden Fall fühlte sie sich so an. Denn eigentlich wollten wir in den Wochen vor der Abreise schon viel mehr in den Wohnwagen gepackt haben, brauchten aber irgendwie die meisten Dinge eben doch noch in der Wohnung und hatten zum Schluss noch ganz schön Packstress, einiges haben wir auch vergessen. Und eigentlich wollten wir vorher gerne eine große Gartenparty veranstalten, um uns, das Leben und unseren Abschied zu feiern. Aber die länger anhaltenden Virus-Vermeidungsmaßnahmen machten uns einen Strich durch die Rechnung. Das fühlte sich seltsam an, so als ob wir einfach sang- und klanglos verschwinden würden. Einen echten Abschied gab es mit den Wenigsten, da wir auch bis zuletzt nur ungefähr wussten, wann es wieder losgehen würde. Und wohin. Die Reise selber verlief nämlich auch nach dem Corona-Prinzip. Denn eigentlich wollten wir nach Italien, Griechenland und Kroatien, entschieden uns aber aufgrund der Zahlen und den vorangegangenen Grenzsituationen anders. Zurück nach Portugal, wo wir bereits Menschen kennen, die uns sogar, im Falle eines erneuten Lock Downs, einen Stellplatz zur Verfügung stellen könnten. Und dann ging alles nur noch durcheinander, die Pläne änderten sich von Tag zu Tag, oder sogar noch schneller. Ich wollte gerne die Route über Belgien und Frankreich, schön langsam am Atlantik entlang, nehmen. Doch würde Portugal eventuell die Grenze zu Spanien wieder dichtmachen? Haben wir wirklich ein paar Wochen Zeit, um in Ruhe zu reisen? Oder sollten wir Gas geben? Und in Frankreich und Spanien schossen die Zahlen nach oben wie verrückt. Vielleicht doch noch Urlaub auf Sardinien und dann mit der Fähre nach Spanien? Und dann gab es neue Hot Spots auf Sardinien und die Italiener selber wollten die inneritalienischen Grenzen lieber dicht machen oder zumindest streng kontrollieren. Ich war nur noch frustriert. 

Und irgendwie bleibt bei jeder Entscheidung ein kleines “aber”, leise Zweifel, Unsicherheit. Und mir wird immer klarer, was dieser ganze Corona Wahnsinn bisher schon angerichtet hat. In mir, in meinem Kopf, Bauch und Herz. Ich fühle mich immer wieder verunsichert, von Menschen, Meinungen und Maßnahmen. Was ist übertrieben, was gerechtfertigt, was notwendig? Wie kann ich Zweifel äußern, oder Verständnis, ohne dass meine GesprächspartnerInnen diesen Blick aufsetzen, der besagt, dass ich die Zusammenhänge nicht verstehen würde, zu unkritisch sei oder die Situation nicht ernst nähme? Ich verstehe vieles nicht, was aufgrund dieses Virus passiert. Aber ich möchte vertrauen, dass hier nicht vorsätzlich Existenzen zerstört werden. Ich möchte darauf bauen, dass jeder tut, was in seiner/ihrer Macht steht, um der Ausbreitung entgegen zu wirken. Ich möchte leben, ohne mich kontrolliert zu fühlen, weder von der Polizei noch von Moralaposteln. Ich möchte die guten Dinge sehen und nicht von zu viel Negativem niedergedrückt werden. “Machen wir das Beste draus”, singt Silbermond und ich wünsche mir, dass uns genau das gelingt. Dass wir uns nicht von Zahlen und Nachrichten verrückt machen lassen, unsere Mitmenschen und unsere Menschlichkeit nicht vergessen und uns darauf besinnen, was eigentlich zählt.
Bleibt gesund und habt euch lieb!

Fun Fact: Während dieser Beitrag noch im Entstehen war, sind wir übrigens relativ spontan von Portugal nach Italien gefahren, obwohl eigentlich statt zwei ganze zwölf Monate geplant waren.

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