Die Welt macht dicht, steht still. Es ist so krass. Im Grunde kann ich es nicht fassen. Leere Autobahnen, menschenleere Flughäfen, abgesperrte Spielplätze und Strände, geschlossene Geschäfte, Schulen, Kitas, Grenzen, Kontaktverbot, Ausgangssperre… Wie konnte denn das passieren? Ich habe mal von einem Freund eine Postkarte bekommen mit dem Spruch darauf: “Alles, was es über das Leben zu lernen gibt, lässt sich in drei Worte zusammenfassen: Es geht weiter!” Und nun? Jetzt stimmt das nicht mehr. Es geht nicht mehr weiter. Nicht wie bisher.
Wie ging das alles los? Also, nicht die Corona Krise, das ist ja klar, ein Virus reist um die Welt, aber dieser Wahnsinn in Europa? Im Januar kamen wir in Portugal an und all das war noch kein Thema. Aber nach und nach schlich sich das Thema in jede Unterhaltung. Freunde von uns planten, mit der Fähre von Barcelona nach Italien zu reisen und überlegten nun, ob das noch eine so gute Idee sei. Aber dass es nun gar nicht mehr möglich wäre, hätten wir zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht gedacht. Dann beherrschte das Thema bald alles, beim einkaufen begegneten uns immer mehr Handschuhe und Masken, wir begrüßten uns nicht mehr mit Umarmungen oder Küsschen, sondern dem “Corona-Ellenbogen”, wir sahen entsetzt und dennoch leicht belustigt, was für Maßnahmen ergriffen wurden und sagten uns, eine Quarantäne am Strand wäre ja wohl noch auszuhalten… Aber Zweifel kamen auf, daran, ob es wirklich gut sei, diese Krise hier auszusitzen. Ob wir überhaupt hier bleiben dürften. Was passiert im Krankheitsfall, in einem Land, dessen Sprache wir nicht sprechen oder verstehen? Viele Reisefamilien, die wir kennen oder denen ich auf Instagram folge, machten sich auf den Weg nach Deutschland, viele, um für den Ernstfall bei der Familie sein zu können. Und so fragten auch wir uns seit Wochen: Fahren oder bleiben?

Wir wollten bleiben. Nachrichten aus Spanien, von befreundeten Reisefamilien verhießen nichts Gutes. Dort wurden Campingplätze geschlossen, und alle Camper mussten entweder in Wohnungen umziehen oder in ihr Heimatland abreisen. Auf Nachfrage hieß es bei unserem Campingplatz noch, dass es keine Schließung geben würde, ein Quarantäneraum sei eingerichtet worden, in dem sich Infizierte aufhalten könnten. Diese Aussicht klang nicht verlockend, aber wir beschlossen, uns einfach nicht anzustecken. Dann aber kam völlig überraschend die Information, dass der Campingplatz nun doch geschlossen würde und alle ihren Platz bis 14 Uhr desselben Tages zu räumen hätten. Puh! Und nun? Dieses ganze Corona Chaos stellt wirklich alles auf den Kopf. Für uns heißt das ganz konkret: Wir können nicht mehr weiterreisen. Zum einen, weil wir schlicht keine Möglichkeit haben, uns irgendwo hin zu stellen, denn die Campingplätze sind geschlossen und frei stehen ist verboten und kommt für uns auch nicht in Frage, und zum anderen, weil wir natürlich weder uns der Gefahr einer Ansteckung aussetzen wollen noch andere gefährden möchten, indem wir das Virus mitreisen lassen. Ja, und wenn wir hier nicht eine tolle Familie kennen gelernt hätten, die uns die Möglichkeit gegeben haben, auf ihrem Grundstück zu stehen, hätten wir uns entweder eine Wohnung mieten oder direkt nach Deutschland fahren müssen.

Aber so stehen wir jetzt hier auf einem 5 Hektar großen Grundstück am Stausee im Landesinneren, im Alentejo, dem Teil Portugals mit den wenigsten Corona Fällen. Ansteckungsgefahr also relativ gering. Vor allem, weil wir das Grundstück nur verlassen, um einzukaufen. Und wir haben hier auch so viele Möglichkeiten, uns zu beschäftigen, dass der Wunsch kaum aufkommt. Hier bauen wir Baumhäuser, fahren Kajak, schlagen uns mit der Machete durch Bambuswälder, holen die Eier aus dem Hühnergehege, helfen beim Bau des neuen Hühnerstalles oder dem Haus unserer Gastgeber, springen auf dem Trampolin, fahren Fahrrad oder Roller, spielen Ukulele, wechseln uns beim Kochen ab und sitzen abends gemeinsam am Lagerfeuer. Natürlich machen nicht immer alle alles und auch nicht immer gemeinsam, aber ich glaube, ich kann euch so deutlich machen, dass es uns im LockDown nicht so schlecht getroffen hat. Doch sogar hier trifft uns so etwas wie ein Lagerkoller. Allerdings eben weniger, weil wir nicht rauskönnen, sonder mehr, weil es so unsicher ist, wie es weitergeht. Neben Luxusproblemchen wie z.B. dass uns der Strand fehlt und ich die Sehenswürdigkeiten von Evora leider nicht zu sehen bekomme, fragen wir uns immer wieder, wie es für uns in diesen unsicheren Zeiten überhaupt weitergehen soll und kann. Wann wird reisen allgemein wieder einigermaßen unbeschwert möglich sein? Wann werden die Grenzen wieder geöffnet und für wie lange? Der nächste Winter kommt bestimmt und bisher weiß ja noch niemand, wie weit wir bis dahin mit der Bewältigung des Virus sind.

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10 Wochen später:
Wir sind seit 7 Wochen in Deutschland. Sehnsucht nach Familie sowie gesundheitliche Gründe sorgten dafür, dass wir doch den Weg in die Heimat antraten. Es geht uns gut, und wir nutzen die Zeit z.B. zum Wohnwagenumbau. Doch die Fragen begleiten uns weiterhin. Wir wissen zwar, dass wir weiterreisen werden, aber wann, wohin und wie genau bleibt offen. Noch sind die Grenzen zu, doch schon bald dürfen wir wieder los. Ich denke, Abstandsregeln und Schutzmaßnahmen werden uns noch eine ganze Weile begleiten und bin gespannt, wie sich das Nomadenleben unter diesen Umständen anfühlen wird.

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