Wir sind ohne Rückreisedatum in die USA gegangen. Hatten uns vorgenommen, so lange zu bleiben, wie es uns gefällt. 3 bis 5 Jahre schwebten uns vor, eventuell länger. Nach nur 18 Monaten sind wir nun bereits wieder zurück in Deutschland – und das hat Gründe. So schön es auch war (siehe Ach, Amerika Teil 1), an einige Dinge mochten wir uns einfach nicht gewöhnen. Eigentlich ist allein der peinliche, orangegesichtige Mann mit der schlimmen Frisur im Weißen Haus Grund genug, die Heimreise anzutreten. Es gab aber noch weitere Gründe. Im zweiten Teil meiner Reflexion sage ich euch, welche das sind.
Bereits in meiner Bilanz nach 100 Tagen USA nervte mich die Umrechnerei und das hat sich bis zuletzt nicht geändert. Warum können die Amerikaner denn nicht endlich das metrische System einführen, wie der Rest der Welt? Außer den USA ist es nämlich weltweit nur in Myanmar und Liberia nicht eingeführt. Und während ich mich an Gallonen und Pfund einigermaßen gewöhnt habe, komme ich bei Meilen immer noch total durcheinander und schätze Entfernungen falsch ein. Beim Arzt konnte ich nicht sagen, wie groß ich bin, hier wäre eine Mischung aus Füßen und Zoll angesagt. Eine Fußgröße ist aber auch eine ziemlich ungenaue Angabe, oder? Meine Füße sind z.B. um Einiges größer als die vieler anderer Frauen und Männerfüße ja üblicherweise nochmal. Wessen Fuß gilt denn da? Immerhin klingt es ganz witzig, wenn ich Richard sage, in 300 Füßen bitte rechts abbiegen…
Apropos witzig klingen – überhaupt nicht witzig klingt es, wie die Amerikaner meinen Namen aussprechen. Von Maheila über Macheili oder Marielle ist einiges dabei. Sie finden ihn immer alle total schön und jeder gibt sein Bestes, um möglichst nah an unsere Aussprache zu kommen, aber es ist und bleibt für Amis schlicht unmöglich. Unser [r] wird hinten im Rachen gebildet, während ihres in der Mitte des Mundes gebildet wird und das kriegen sie einfach nicht hin. Auf Dauer ist es schon ziemlich blöd, wenn so gut wie niemand in der Lage ist, meinen Namen auszusprechen, denn er gehört ja nun mal zu mir. Und seltsamerweise haben auch die Amerikaner große Probleme mit unserem Nachnamen, was für mich völlig unverständlich ist, da es ja ein englischer Name ist.
Für mich als Stadtrandpflanze, mit öffentlichem Nahverkehr vor der Tür aufgewachsen, sind auch die Entfernungen, die täglich mit dem Auto zurückgelegt werden müssen, nervig. Eigentlich alles ist irgendwie zu weit entfernt, (mindestens) eine halbe Stunde ist man immer unterwegs. Dies ist natürlich logisch, da es fast nur Einfamilienhäuser gibt und sich die Wohngebiete eben sehr weit ausdehnen, dennoch ist mir das Fahrrad oder die Straßenbahn lieber. Mit kleinen Kindern ist dies allerdings nicht machbar, das Auto bleibt Hauptfortbewegungsmittel.
Und dann fahren sie mit ihren riesigen Autos zu Wal Mart, kaufen Cola und Convenience Food, lassen den Einkaufswagen einfach irgendwo auf dem Parkplatz stehen, nehmen unterwegs noch einen Softdrink im Styroporbecher mit, den sie dann später aus dem Fenster werfen. Okay, klingt übel nach Vorurteilen, habe ich aber alles so erlebt. Zu große Autos sind hier (im Süden) der Standard, der überwiegende Teil der Bevölkerung ernährt sich sehr ungesund und es mangelt an Umweltbewusstsein. Auf großen Supermarktparkplätzen stehen die Einkaufswagen kreuz und quer herum, in Parklücken, selbst wenn sie direkt neben der Wagenrückgabestation liegen, darf man nur sehr vorsichtig fahren, um nicht den stehen gelassenen Wagen umzufahren, das kann mich jetzt noch aufregen. Auf unserem Grundstück lagen immer wieder Bierdosen (!) die jemand aus dem Autofenster geworfen hat und auch in Naturschutzgebieten dümpelte der Müll im Sumpf herum. (Allerdings würde es auch nicht schaden, mehr Mülleimer aufzustellen.) In unglaublich vielen Hotels gibt es nur Styroporgeschirr und Plastikbesteck und uralte Klimaanlagen brummen in den Fenstern. Auch privat wird oft Plastik- oder Papiergeschirr benutzt, wenn man Gäste hat. Mülltrennung gibt es zwar, aber nur sehr eingeschränkt und die wöchentlich geleerte Riesenmülltonne ist meistens voll. Anstatt wiederverwendbare Flaschen zu benutzen, bringen sich viele Menschen Getränke in Pappbechern mit, und ein halb voller Einkaufswagen wird gerne in ca. 30 Plastiktüten verpackt. Umweltbewusstsein geht anders. Selbstverständlich ist mir klar, dass ich damit verallgemeinere und natürlich leben auch einige Amerikaner anders, doch der überwiegende Teil der Bevölkerung präsentierte sich mir wie geschildert.
Was auch sofort auffällt und recht schnell ziemlich nervt, ist der übertriebene Nationalstolz. Nahezu jedes Haus hisst die amerikanische Flagge. T-Shirts, Mützen, Socken… Kleidung in den Nationalfarben ist bis zur Unterwäsche hin erhältlich, z.T. erstrahlen ganze Gebäude komplett im Flaggenlook. Im überwiegenden Teil der Schulen beginnt jeder Tag mit dem Treueschwur. Stehend, Hand aufs Herz, schwören schon Kleinkinder “Treue auf die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika und die Republik, für die sie steht, eine Nation unter Gott, unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für jeden.” Offiziell ist dies natürlich freiwillig, den Schwur allerdings wirklich zu verweigern, ist eigentlich undenkbar. Auch Sportevents werden mit dem Schwur eröffnet und/oder der Nationalhymne, selbstverständlich auch stehend mit der Hand auf dem Herzen. Ich wurde schräg angeschaut, als ich mein Fahrrad an den Läufern/Walkern eines 5 km Laufs vorbeischob, während sie gerade die Nationalhymne sangen. Bei dieser Veranstaltung fanden Läufe unterschiedlicher Distanz statt, offensichtlich wurde jeder Einzelne mit der Hymne eröffnet. Fragt man Kinder oder Jugendliche aber, warum sie eigentlich auf die Flagge schwören, bekommt man meistens nur ein Achselzucken als Antwort. Gehirnwäsche pur, rund um die Uhr, um es mit Samy Deluxe zu sagen. So gedrillt, muss ja ein völlig verdrehtes, verklärtes Verständnis der eigenen Nation entstehen.
Und dass es mit der beschworenen Freiheit und Gerechtigkeit nicht weit her ist, habe ich in einem anderen Artikel (hier nachzulesen) bereits beschrieben. Diese Unfreiheit gehört mit zu den Hauptgründen, warum wir uns ein Leben in den USA auf Dauer nicht vorstellen können. Für unsere Kinder wünschen wir uns mehr Möglichkeiten zur Selbstständigkeit. Und echte Freundschaften. Unsere Erfahrung ist leider, dass viele Amerikaner Freundschaften anders leben als wir Europäer. Die meisten Paare oder Familien bleiben mehr für sich, sind sich anscheinend selbst genug. Bei größeren Feiern trifft man sich dann durchaus mal mit Freunden, für mich bleibt allerdings unklar, wie diese Freundschaften entstanden sind, denn die meisten Amerikaner, die wir kennen gelernt haben, treffen sich so gut wie nie mit ihren Freunden. Es bleibt aber auch kaum Zeit dafür. Die Wochentage sind mit Arbeit oder Schule und eventuell noch Aktivitäten wie Musikschule, Tanzen, Pfadfinder o.ä. ausgefüllt. Und am Wochenende scheint Sport im Fernsehen interessanter zu sein. Da freuen wir uns schon auf unsere Freunde zuhause.
Der Fernseher ist ein weiteres Ärgernis. Denn er läuft und läuft und läuft – den ganzen Tag. Bei Vielen ist das wirklich so. Wir haben es auch erlebt, dass der Fernseher läuft, obwohl überhaupt niemand zuhause ist, manchmal nicht einmal der Hund. Gerne auch mehrere Geräte, Dauerbeschallung. Geht gar nicht. Zur Beschäftigung der Kinder wird er auch gerne eingesetzt, zuhause oder unterwegs. Wir hatten z.B. einmal Besuch und als die Tochter unserer Bekannten eine DVD von Planes sah, wollte sie gerne den Film sehen. Da fragte mich die Mutter ernsthaft, ob wir nicht für die Kinder den Film anmachen können. Als ich dies verneinte, weil ich den Jungs nicht einfach die Glotze anmachen wollte, durfte die Kleine (ein halbes Jahr älter als Benji) eine Weile auf dem Tablet der Mutter spielen. Ein andermal waren wir bei Freunden zu Besuch und zwischendurch wurde den Kindern einfach der Fernseher angemacht, damit die Jungs eine Weile ein Videospiel spielen können. Diese Kinder sind aber alle nicht älter als 6 Jahre und nachdem sie gespielt hatten, lief der Fernseher eben einfach weiter. Eine Familie im Restaurant schoss den Vogel ab. Der Vater trug eine Sonnenbrille während des Essens, nahm sie nur kurz während der Bestellung ab, tippte ansonsten, genau wie die Mutter, ununterbrochen auf dem Handy herum, die Tochter im Teenageralter hörte Musik mit Kopfhörern und der Sohn (ca. 9 Jahre) durfte auf dem restauranteigenen Tablet (dass auf jedem Tisch zur Verfügung stand – praktisch zur Bestellung und Bezahlung) Filme sehen. Was für eine idyllische Familienmahlzeit! Die vielen Bildschirme in Restaurants oder Hotels zogen auch unsere Kinder immer in ihren Bann, leider waren darauf oft Nachrichten zu sehen oder Sportprogramme wie z.B. Ultimate Fighting, die nicht für Kinderaugen geeignet sind.
All diese Dinge zeigten uns deutlich, wie sehr sich die amerikanische Kultur doch von der unseren unterscheidet. Mit Einigem haben wir gerechnet, Anderes hat uns sehr überrascht. In der Summe sorgen sie dafür, dass wir die USA zwar landschaftlich interessant finden, uns ein Leben dort auf Dauer aber nicht vorstellen können. Im Norden der USA mag das Leben für Europäer vielleicht einfacher sein, eine Großstadt hätte es mir sicher auch einfacher gemacht. So aber ist die richtige Entscheidung für unsere Familie, zurück zu gehen in unsere gewohnte Umgebung mit Familie und Freunden als Netzwerk. Wir freuen uns auf die Abenteuer, die uns zurück im Alltag erwarten.