Auswandern bedeutet Abenteuer. Man muss sich einlassen auf eine andere Kultur, eine andere Sprache, anderes Essen. Man entdeckt neues Land, neue Menschen, neue Gepflogenheiten und muss sich auch noch damit arrangieren, wenn aus Abenteuer Alltag wird. Das ist gar nicht so einfach. Für mich selbst und auch für uns als Familie.
Mit mir als Mareile sind ja noch (mindestens) die Mama und Ehefrau ausgewandert. Und diese drei kommen unterschiedlich gut damit zurecht. Mama und Ehefrau deutlich besser als Mareile. Mama ist eben Mama, unabhängig davon, wo man lebt. Ich hätte auch in Deutschland meine Reibereien mit einem fast 6- und einem fast 2-jährigen. Ich würde auch dort auf Legosteine treten, Geschichten vorlesen, trösten, spielen usw. Hier bin ich etwas mehr gefordert, da für Joshua die Kindergartenzeit und viele Verabredungen wegfallen. Aber dafür ist Richard hier im Raum nebenan, und durch seine relativ flexiblen Arbeitszeiten kann auch er häufiger mitspielen oder die Kinder auch mal ganz übernehmen. Das macht es der Mama leichter. Und auch die Ehefrau freut sich, dass Richard mehr Zeit zuhause verbringt. Wir zwei kommen gut damit zurecht, quasi ständig zusammen zu sein, das kann ja durchaus auch zu Problemen führen. Unsere Beziehung ist durch diesen Schritt aber noch enger und intensiver geworden. Hier zeigt sich für mich erst, wie aufmerksam mein Mann ist und ich genieße unsere Gespräche, die wir hier deutlich häufiger führen. Erziehungsfragen und -sorgen, die in Deutschland vorrangig mich beschäftigt haben, teilen wir uns und das tut gut.
Richard genießt es absolut, hier bei uns zuhause zu arbeiten. Er freut sich, dass wir so viel zusammen sind. Er ist auch dichter dran an meinem Alltag mit den Kindern und bemerkt durchaus, dass es für mich manchmal ganz schön anstrengend wird, was ihn dann teilweise auch stresst. Aber er kann mir in solchen Momenten auch zur Seite stehen, was ich als echten Segen empfinde, für mich wie auch für die Kinder, die richtig viel von ihrem Papa haben. Jeden Tag ist Zeit zum Spielen, wir sind bei jeder Mahlzeit alle zusammen und unternehmen mehr gemeinsam als in Deutschland.
Allerdings müssen wir das auch, um den Verlust der Zeit im Kindergarten und bei Verabredungen mit Freunden auszugleichen. Denn das fehlt Joshua nach wie vor besonders. Überhaupt haben die meisten Zweifel, die uns plagen, mit Joshua zu tun. Benji ist noch so klein, dass ihm die Veränderung nicht so viel abverlangt. Er hat hier allerdings deutlich mehr von seinem großen Bruder, was er auch richtig gut findet. Die zwei spielen mittlerweile auch immer öfter schon schön miteinander und sind ein tolles Team geworden. Aber Joshua musste seine Freunde zurücklassen, unklar, ob Freundschaften halten werden und war bei meinen Eltern (die quasi nebenan wohnten) fast genauso zuhause wie bei uns und vermisst den Kontakt oft noch schmerzlich. Dass er hier nicht zur Schule geht, findet er ganz gut, aber wie das Lernen mit Mama wirklich klappt, muss sich erst noch zeigen, und falls er dann in ein paar Jahren in Deutschland doch wieder zur Schule gehen muss, bedeutet das ja wieder eine enorme Umstellung für ihn… ja, wir fragen uns schon regelmäßig, ob wir ihm mit unseren Entscheidungen das Leben vielleicht doch schwerer machen als nötig. Joshua selber hat sich, glaub ich, auch noch nicht so ganz entschieden, ob er es in Amerika gut finden soll oder nicht. Es gefällt ihm sehr, dass er jetzt Englisch kann, er freut sich, seine Eltern so viel für sich zu haben, die Kinderfreundlichkeit hier findet er natürlich auch toll. Aber er vermisst auch Vieles und hat lange gebraucht, hier anzukommen und sich auf all das Neue einzulassen.
Naja, und Mareile, die kommt hier eben etwas zu kurz. Wenn wir neue Kontakte knüpfen, denke ich immer zuerst daran, ob die Kinder gut miteinander zurecht kommen und freue mich natürlich, wenn ich mich auch mit der jeweiligen Mama gut verstehe, aber das ist zweitrangig. Ich suche nach Infos und Aktivitäten fürs Homeschooling, ich mache mal eben das bisschen Haushalt, fahre noch schnell einkaufen, nutze den Mittagsschlaf von Benji für Spielzeit mit Joshua und wenn Richard mit ihm spielt, hat Benji die Mama mal für sich. Und bei all dem bleibt Mareile auf der Strecke. Es sind nur sehr kurze Momente, in denen ich mal das mache, wonach mir ist. Und ich habe die Befürchtung, dass sich daran auch vorerst nicht viel ändern wird. Allerdings ist das eigentlich ein Gefühl, das wohl jede Mama nur zu gut kennt. Und mit unserem Umzug ans Meer (der schon sehr bald ansteht) wird sich wohl auch wieder etwas ändern, denn Zeit am Strand ist definitiv Zeit für mich.
Und so wandern wir aus dem Alltag, in dem wir gerade erst angekommenen sind, schon wieder weiter ins nächste Abenteuer. Was das mit unserer Familie macht? Ich halte euch auf dem Laufenden.