Huch, meine letzten Gedanken zum Thema liegen schon ein ganzes Jahr zurück. Nein, falsch: Natürlich habe ich mir weiterhin Gedanken gemacht, sogar sehr viele. Aber bisher habe ich sie hier nicht veröffentlicht. Na dann versuche ich mal die letzten 12 Monate zusammen zu fassen.

Nach unserem missglückten Start gingen wir es ruhig an. Machten eigentlich weiter wie bisher, erlebten gemeinsam das Abenteuer Alltag einer deutschen Familie in den USA. Ich konnte es aber nicht lassen und fing schon bald wieder an, Joshua in Richtung Lesen und Schreiben zu drängen. Zum Teil machte es ihm auch Spaß, er fand es toll, Buchstaben zu erkennen und Silben erlesen zu können. Aber in meiner Vorstellung sollte das regelmäßig stattfinden, in seiner allerdings eher nach Bedarf. Das passte nicht gut zusammen und so krachte es zwischen uns immer wieder. Je mehr Druck er von mir bekam, desto schiefer hing der Haussegen.

Rückblickend ärgere ich mich sehr über meine Sturheit. Denn gelernt hat er sehr viel in der Zeit. Nur eben nicht das, was ich zu dem Zeitpunkt im Sinn hatte. Und wir hatten so viel Stress, den wir uns hätten sparen können. Wir haben wirklich viele tolle Ausflüge gemacht und Dinge unternommen, die den Kindern Bildungsmöglichkeiten boten. (Mehr dazu hier.) Aber mir geisterte immer wieder das Gespenst Schulpflicht im Kopf herum und ich wollte nicht, dass Joshua mit dem Gefühl, er könne nichts (im Vergleich zu den anderen Schülern) in Deutschland in einer ihm fremden Umgebung mit fremden Kindern sitzt. Denn gegen Ende des Jahres war klar, dass wir zurück nach Deutschland ziehen und zwar eher früher als später. Und meiner Meinung nach sollte er wenigstens einigermaßen lesen und schreiben können. Mathe vernachlässigten wir total, die Inhalte der ersten Klasse sind nun wirklich schnell aufzuholen, aber Deutsch stand immer wieder auf dem Programm. Und sorgte für gewaltigen Ärger.

Nun rückte die Abreise immer näher und ich war sehr unentschlossen, wie wir in Deutschland vorgehen sollten. Die erste Zeit würden wir bei meinen Eltern wohnen, in ihrer Gästewohnung. Wie lange? Naja, bis wir eine Bleibe gefunden hätten. Sollten wir uns dort schon anmelden, oder erst in Braunschweig? Joshua müsste dann in die Schule gehen, andererseits wäre es schwieriger mit der Krankenkasse und dem Kindergeld, wenn wir nicht gemeldet wären. Da ich mit den Nerven ziemlich am Ende war und die Hoffnung hatte, dass drei Monate Schule für den Anschluss reichen würden, entschieden wir uns für den offiziellen Weg. Das teilte ich der Schule im Wohnort meiner Eltern bereits aus Florida per Mail mit. Allerdings bekam ich eine überraschende Antwort: Die Schule wollte Joshua nicht aufnehmen, sondern hielt es für besser, wenn er zum neuen Schuljahr eingeschult würde. Na toll. Da habe ich mir die Entscheidung mühsam abgerungen und dann sowas. Es ging ja nicht um drei Wochen, sondern Monate. Ganz abgesehen davon, dass ich Joshua nicht in die erste, sondern altersgemäß in die zweite Klasse gehen lassen wollte. Was nun? Auf die Schulpflicht verweisen und darauf bestehen, dass er aufgenommen wird? Meinen Sohn damit in die Situation bringen, dass er nicht nur der Neue ist, der noch nicht so weit ist wie die anderen und anscheinend auch von Lehrerseite nicht willkommen ist? Nee, wirklich nicht. So gestresst kann ich gar nicht sein. Also stimmte ich der Schule zu und freute mich über die gewonnene Freiheit, die wir dann für Ausflüge nach Braunschweig oder an die Ostsee auch unter der Woche gut nutzten.

In Deutschland ging Joshua dann aber doch zur Schule, nur nicht jeden Tag. Meine Mutter, die auch Lehrerin ist, nahm ihn ein bis drei Tage die Woche mit in ihre erste Klasse. Dort nahm er am Mathe-, Musik-, Sport- und Sachunterricht teil. Er lernte Schule an sich kennen, wusste, wie ein Klassenraum aussieht, dass er sich melden muss, bevor er etwas sagen möchte und lernte Freunde kennen, mit denen er in den Pausen spielen konnte. Das war beruhigend, so wäre der Schritt in die Schule nach den Ferien nicht mehr so groß. Und wenn er mal keine Lust hatte, musste er nicht gehen. Welch ein Luxus.

Während eines Besuchs in Braunschweig begleitete er auch einmal eine Freundin in die Schule und lernte so bereits seine Klasse und auch einige Lehrerinnen kennen. Er nahm am Erdbeer- und Sportfest teil und freute sich, dass er in seiner zukünftigen wie auch in der Parallelklasse Freunde aus seiner Kindergartenzeit traf. Das nahm ihm einige Unsicherheiten, er konnte beruhigt dem ersten Schultag in der zweiten Klasse entgegen sehen.

In Lüneburg mussten wir allerdings noch die Schuleingangsuntersuchung beim Gesundheitsamt absolvieren. Diese Untersuchung ist Pflicht in Deutschland und da die Schule davon ausging, dass Joshua in die erste Klasse eingeschult werden würde, kamen wir da auch nicht darum herum. Interessant fand ich, dass, obwohl er ja ein Jahr älter war als alle anderen Kinder, die diese Untersuchung machen, und ich außerdem auch ansprach, dass er in die zweite Klasse kommen solle, alles ablief wie gewohnt, und am Ende die Einschulung empfohlen wurde. Flexibilität sieht anders aus.

Und dann waren die Ferien auch schon vorbei, der Umzug nach Braunschweig gerade über die Bühne gebracht und der erste Schultag stand vor der Tür. Vorbei war es mit der Sonderbehandlung, jetzt galt auch für uns Anwesenheitspflicht. Das war ganz schön ungewohnt. Jeden Morgen zu einer bestimmten Zeit aufstehen zu müssen gefiel Joshua gar nicht. Zwei Tage die Woche hat er Unterricht bis 12:50 Uhr, ansonsten bis 11:40 Uhr und im Anschluss noch eine Stunde Betreuung. Nachdem ich ihn einmal eher abholen wollte, was nicht gewünscht ist, entschieden wir uns, ihn von der Betreuung wieder abzumelden. Und nach wenigen Wochen wollte Joshua am liebsten gar nicht mehr in die Schule gehen. Einige seiner Bedenken und Unsicherheiten hatten mit seinen Mitschülern zu tun und wir konnten ihn trösten und stärken für den weiteren Schulbesuch. Und die Situation hat sich durchaus verbessert. Einiges aber bleibt einfach blöd. Hausaufgaben zum Beispiel, die finden wir alle doof. Beim Frühstück ständig die Uhr im Blick zu behalten, essen zu müssen, obwohl doch viel lieber gespielt werden könnte und auch eigentlich noch gar kein Hunger vorhanden ist und das Gedrängel von uns, weil wir wieder spät dran sind, macht auch keinem Spaß.

Wenn Joshua gefragt wird, was ihm an der Schule gefällt, dann antwortet er: Die Pausen. Damit meint er, es gefällt ihm, Freunde zu treffen und mit ihnen zu spielen. Denn sich zu verabreden ist seine absolute Lieblingsbeschäftigung. Also sind wir froh, dass er so aufgeschlossen ist und schnell Freundschaften schließt. Fürs Erste kommt er im deutschen Schulsystem also zurecht. Allerdings äußert er auch regelmäßig den Wunsch, nicht mehr zur Schule gehen zu müssen, doch lieber anderswo zu leben, wo es keine Schulpflicht gibt. Dafür würde er auch auf die Nähe zum Meer verzichten (am Meer zu leben ist nämlich der Familienwunsch, seit wir in Florida in Strandnähe lebten), Hauptsache, er müsse nicht in die Schule gehen. Ob wir ihm diesen Wunsch erfüllen können, wird sich in der nächsten Zeit zeigen. Denn da wir wir nicht auf Dauer in einer Mietwohnung ohne Garten leben möchten, steht ja früher oder später wieder ein Umzug an. Ob dann “nur” innerhalb Deutschlands oder doch nochmal international umgezogen wird, ist bislang offen. Mal sehen, wieviel Abenteuerbereitschaft dann vorhanden ist.

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