Insgesamt 9 Monate waren wir in Portugal. Nicht am Stück, sondern unterbrochen von ein paar Monaten Deutschland im Sommer und einem Monat Italien im November 2020. Wir haben hier Herbst, Winter und Frühling erlebt, waren auf 11 verschiedenen Campingplätzen, in 2 Ferienwohnungen und auf dem Privatgrundstück einer Auswandererfamilie. Wir haben viel von der Küste gesehen und etwas vom Inland. Wir haben Familien kennen gelernt, die wie wir auf einer längeren Reise sind, aber auch einige, die hierher ausgewandert sind oder hier Urlaub machten. Und leider nur sehr wenige Portugiesen. Und auch wenn wir gerne noch weiter Europa erkunden möchten, so müssen wir festhalten: Wir sind verliebt. In Portugals Farben, in ganz viele Strände, in Porto, in Lagos, und vor allem in den Alentejo. Diese Region, die knapp ein Drittel der portugiesischen Festlandsfläche umfasst, aber fast überall nur dünn besiedelt ist. Zum Vergleich: Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist nur wenig größer als der Alentejo – und doch leben dort mehr als zwanzigmal so viele Menschen. Diese Region hat aber weit mehr als nur Einsamkeit zu bieten. Hier befindet sich (unserer bescheidenen Meinung nach) der schönste Küstenstreifen, sie ist touristisch nicht überlaufen oder zugebaut und in den unendlichen Weiten liegt eines der weltweit größten Anbaugebiete für Korkeichen. Etwa 50 Prozent der Kork-Weltproduktion kommt aus Portugal.
Tja, und nun sind wir nach 6 Wochen Spanien bereits wieder in Deutschland. Also höchste Zeit euch „unser“ Portugal einmal vorzustellen. Und eine unbedingte Reiseempfehlung auszusprechen. Denn Portugal ist auf jeden Fall mindestens eine Reise wert. Wenn ihr etwas Zeit habt, mietet euch einen Camper und fahrt durchs Land, dann lernt ihr es am besten kennen. Und durch die kurzen Entfernungen ist so eine Rundreise ohne Stress auch in zwei Wochen gut machbar (wobei mehr Zeit natürlich von Vorteil ist). Aber auch ein fester Punkt und Tagesausflüge versprechen einen tollen Urlaub. Mehr dazu findet ihr auch in den Beiträgen zu Portugals Norden und Süden.
Aber hier und heute möchte ich euch den Alentejo vorstellen. Nur: Wo fange ich bloß an? Als wir im Frühjahr 2020 von der Algarve Richtung Norden fuhren, dachten wir, den schönsten Teil Portugals gesehen und hinter uns gelassen zu haben. Doch bereits auf der Fahrt Richtung Norden merkten wir, dass dieses Urteil vorschnell getroffen war. Sanfte Hügel, schattenspendende Korkeichen, Storchennester überall – die sich verändernde Landschaft gefiel uns auf Anhieb. Der erste Campingplatz, den wir ansteuerten, liegt wunderschön direkt an der Küste mit eigenem Strandzugang. Um ans Wasser zu gelangen, geht es allerdings noch etwas abwärts, die Klippen hinunter. Ein Surfcamp schließt sich direkt an den Campingplatz an, mit eigener Half Pipe. Für unsere kleinen Skater toll, vor allem, weil es außerhalb der Saison verwaist dalag, im Sommer stelle ich es mir durchaus anstrengend vor, eine feierwütige Surfergesellschaft als direkte Nachbarn zu haben.
Von hier aus besuchten wir eine deutsch-französische Familie, die monatlich zum Homeschooler Treffen bei sich zu Hause einladen und lernten einige Familien kennen (bei einer von ihnen landeten wir wenige Wochen später zum Lockdown auf dem Privatgrundstück). Sie leben nahe Setubal, einer Stadt südlich von Lissabon, nicht mehr dem Alentejo zugehörig, aber so dicht, dass es hier mit genannt werden sollte. Setubal ist nicht unbedingt hübsch zu nennen, liegt aber toll zwischen dem Naturreservat an der Mündung des Rio Sado und dem Naturpark Arrabida. Hier leben Flaschennasen-Delfine, die wir während einer Fährfahrt auch sehen konnten. Und im Naturpark gibt es wunderschöne Strände.
Etwa eine Stunde Autofahrt ins Inland liegt Torrao, der Ort am Stausee, wo sich Familie Croce aus Österreich ihr Wildnisparadies aufbaut. Sie leben auf ihrem Grundstück, bauen sich ein Haus und organisieren Survival Camps, Bogenbaukurse und vieles mehr rund ums Draußensein, Natur und Wildnis. Nachdem wir sie zweimal getroffen hatten, boten sie uns zur Zeit des Lockdowns an, auf ihrem Grundstück zu stehen (alle Campingplätze mussten schließen, alternativ hätten wir nach Deutschland fahren müssen). Wir wurden so herzlich aufgenommen und sind sehr dankbar für diese Zeit. Wir waren völlig frei, hatten viel Platz, einen Stausee, in dem wir schwimmen und auf dem wir paddeln konnten, und das Beste war: Wir hatten Gesellschaft. Während der Rest der Welt eingesperrt war, stromerten die Jungs stundenlang übers Grundstück, bauten Baumhäuser und Bogen und paddelten auf dem Stausee. Wir saßen abends gemeinsam am Lagerfeuer, kochten und aßen gemeinsam und freuten uns über den Sternenhimmel.
Im Herbst kamen wir erneut nach Portugal, diesmal überquerten wir die Grenze im Norden. Relativ bald führte uns unser Weg wieder in den Alentejo, zuerst nach Torrao. Darauf hatten sich die Jungs schon lange gefreut. Die Landschaft hatte sich sehr verändert, alles war sehr trocken, der Stauseepegel war viele Meter gesunken, und ich muss sagen, frisch und grün gefällt es mir besser, aber dennoch war es schön, zurück zu sein.
Im Frühjahr 2021 waren wir wieder in Torrao, und diesmal stand das Wasser im See so hoch, dass wir fürchteten, es würde das Grundstück fluten. Ein paar Tage waren Gummistiefel recht nützlich, dann hatte die Sonne das Land soweit getrocknet, dass wir das viele Wasser auch genießen konnten.
Schon bald ging es für uns dann an die Küste, genauer nach Zambujera do Mar. Der Campingplatz war uns mehrfach empfohlen worden und wir waren ebenfalls begeistert. Für wenig Geld bekamen wir viel Platz, saubere Sanitäranlagen, viele Waschmaschinen und Wäscheleinen, einen tollen Salzwasserpool und sehr freundliche Betreiber. Der Strand war auch in Fahrradnähe, sogar zu Fuß kamen wir gut dorthin. Der Ort ist klein, hat aber Charme, einige Restaurants, eine kleine Fußgängerzone und Läden für das Nötigste. Und der Strand ist wirklich schön. Die Bucht ist bei Ebbe ein riesiger Strand, bis ganz vorne zwischen die Felsen kann man dann gehen, bei Flut ist vom Strand teilweise gar nichts mehr zu sehen. Einmal hat uns eine Flutwelle beinahe unsere Sachen weggespült, obwohl wir bereits fast an der Straße lagerten, ein anderes Mal hatten wir viel Spaß beim (letztlich natürlich erfolglosen) Verteidigen unseres Forts gegen das Wasser.
Nach unserer Italienpause mieteten wir uns eine Ferienwohnung in der Nähe von Santiago do Cacem. Wir wohnten irgendwo auf dem Land, zwischen Korkeichen und Schafen. Bei Spaziergängen trafen wir niemanden außer Kühen, Schafen, wild bellenden Hunden und manchmal auch ihren Besitzern. Unsere Vermieterin Maria lebte nebenan und jeden Sonntag brachte sie uns eine Leckerei, selbst gekocht oder gebacken. Zum Haus führten unbefestigte Straßen in Schweizer Käse Manier, so dass wir uns gut überlegten, ob wir mit dem Auto das Grundstück verlassen wollten. Nach einer Woche begann allerdings der erneute Lockdown in Portugal, dadurch erledigte sich die Frage nach Ausflügen sowieso. Wir verbrachten hier den Januar und er war ungewöhnlich kalt. Meinen ersten Kaffee genoss ich bei Minustemperaturen mit vereisten Wiesen in wunderschönem Sonnenaufgangslicht. Zum Glück schien die wärmende Sonne, denn in der Wohnung war und blieb es ziemlich eisig. Nach einer guten Woche wurde es zwar wärmer, aber dafür auch grau, neblig und nass. Und so blieb es dann über Wochen. Wir haben nahezu alle Winnetou Filme gesehen, Käsefondue und selbst gebackenes Baguette gefuttert und auf die Sonne gewartet. Die kam allerdings erst wieder, als wir die Location wechselten, es ging wieder ans Meer. Diesmal nach Cavaleiro, nochmal in eine Ferienwohnung, auf einem Reiterhof, der wirklich direkt an der Küste liegt. Vom Grundstück aus war es nur ein kleiner Spaziergang und dann begann eine Dünenlandschaft, die sich über viele Kilometer an der Küste entlang nach Norden zieht. Überhaupt ist die Küste Portugals, besonders im Alentejo einfach nur wunderschön.
Wir wären gerne mehr auf dem 226,5 km langen Fishermens Trail gewandert, der wirklich direkt an der Küste entlang führt. Unsere Jungs wandern aber nicht so furchtbar gerne und so haben wir nur verschiedene Teilstücke gesehen, eine längere Wanderung/Fahrrad- oder Reittour ist aber sicher lohnenswert.
Zwei Städte im Alentejo möchte ich auch noch vorstellen, nämlich Évora und Elvas.
Die UNESCO Weltkulturerbe Stadt Évora, die vor Jahrhunderten portugiesischen Königen als Wohnsitz diente, ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Im Frühjahr 2020 konnten wir nur im Vorbeifahren einen Blick erhaschen, doch im Herbst 2020 und Frühjahr 2021 hatten wir Zeit, durch die Gassen zu schlendern und uns ein paar Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Zum Beispiel die Reste des römischen Tempels aus dem 1. Jahrhundert und die Knochenkapelle, deren Wände und Säulen komplett mit Knochen Verstorbener erbaut sind. Wir haben Fahrradrunden gedreht, immer an der Stadtmauer entlang bis zum Aquädukt und durch die Altstadt. Der Blick vom höchsten Punkt der Stadt – dem Dach der Kathedrale – war spektakulär. Und besonders schön finde ich, dass die Kathedrale selbst weithin sichtbar über der Stadt thront.
Unser letzter Halt in Portugal war in der Nähe der Grenzstadt Elvas. Der Campingplatz hier heißt ‚Puro Alentejo‘ und er hält, was er verspricht. Wiesen, Eichen, Stille und Krabbelviehzeug… Für die Jungs gibts eine Kinderspielecke und der Teich mit unzähligen Fröschen hat auch große Anziehungskraft. Schön ist es hier. Das Betreiberehepaar, eine Portugiesin und ein Südafrikaner haben den Platz nach der Eröffnung 2020 schon nach zwei Wochen schließen müssen und glücklicherweise die Lockdownzeit überstanden. Wir waren die einzigen Gäste und wären beinahe einfach geblieben, wenn wir nicht wieder im Reisefieber gewesen wären. Falls ihr mal nach Portugal fahrt, nehmt ruhig den Grenzübergang bei Badajoz und verweilt hier erst einmal.
Ich habe mir mit den Jungs das Logo unseres Campingplatzes mal in live angeschaut. Ein ca. 5000 – 7000 Jahre alter Dolmen in Laufnähe. Ein entspannter Spaziergang dorthin führte uns durch Wiesen und Eichenwälder, durch Bachläufe und über Felsen. Eine römische Brücke lag auch auf dem Weg.
Nun aber zu Elvas. Direkt nördlich davon liegt die Forte da Graça. Online findet sich folgende Information: “Ein Zeitzeuge der bewegten Vergangenheit ist die Festung Nossa Senhora da Graça. Hier trug sich einst eine wichtige Schlacht mit deutscher Unterstützung zu, die die Unabhängigkeit des portugiesischen Königreichs sicherte. Der fantastische Krieg – Guerra Fantástica – ging in die Geschichte ein. Der Graf Wilhelm Friedrich Ernst zu Schaumburg-Lippe war es, der zum Schutz des Königreichs die Festung auf dem Hügel über Elvas errichten ließ. Zu seinen Ehren wird die Anlage auch Forte de la Lippe genannt.” Genial, der Blick von oben. Und der Blick nach Spanien, das nur wenige Minuten entfernt liegt. Und der Blick auf das Aquädukt von Elvas.
Elvas besitzt die größten erhaltenen Bollwerk-Befestigungsanlagen der Welt. Diese und die Altstadt gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Imposant ist das bis zu 31 m hohe und 8 km lange Aquädukt Amoreira vor den Toren der Stadt, das wir von der Festung de la Lippe aus schon gesehen haben. Durch die Altstadt schlendern, uns vom intensiven Orangenduft betören lassen, wir haben einen Tag als Touristen genossen.
So, und wann fährst du jetzt nach Portugal?